Luchino Viscontis Verfilmung von Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman „Der Leopard“ gilt bis heute als Klassiker des italienischen Kinos. Netflix hat jetzt das Schicksal der sizilianischen Fürsten von Salina als Serie neu verfilmt. Sie liefert zumindet einen frischen Blick auf den Roman und auf die darunter liegende ziemlich universelle Geschichte von Tradition und Wandel.
In Palermo herrschen Unruhen. Im Jahr 1860 ist die Fahrt mit der Kutsche schon ein Sicherheitsrisiko, denn die Soldaten der aristokratischen Herrscher in Sizilien liefern sich Straßenschlachten mit Aufständischen und Freischärlern.
Einen kann das nicht wirklich ängstigen: Don Fabrizio Corbera, Fürst von Salina, nach seinem Wappentier bekannt als „der Leopard“. Die Kämpfe um das, was später mal „Vereinigtes Italien“ heißen wird, verfolgt er jedenfalls recht distanziert, meist mit einem Zigarillo oder einem Stück Mandelgebäck in der Hand.





Aktueller Generationenkonflikt schon im 19. Jahrhundert
Fabrizio gegenüber steht sein geliebter Neffe Tancredi, der mit glühender Überzeugung für die antifeudale Bewegung Garibaldis in den Kampf zieht. Klingt fast nach einem aktuellen Generationenkonflikt. Aber Tancredi stößt auch die ihn liebende Concetta, Fabrizios Tochter, vor den Kopf.
Ihre Liebe kommt übers Briefeschreiben, Schmachten und Sehnen nicht hinaus, auch weil sich Tancredi in die aufreizende und ehrgeizige Angelica verguckt. Dieses Dreieck ist das emotionale Zentrum der Serie. Und damit auch einer der wenigen echten Kontraste zu der Verfilmung von Luchino Visconti.
Viscontis Meisterwerk schwebt über der Netflix-Serie
Viscontis Verfilmung von 1963 gilt als Meisterwerk. Sie schwelgt in opulenten Bildern und Panoramen vom Niedergang aristokratischer Kultur und Sitten. Dem zollt die ebenfalls vorzüglich gefilmte und opulent ausgestattete Serie von Regisseur Tom Shankland Respekt.
Und sie versucht, ein bisschen von dieser untergründigen Melancholie und flirrenden Sinnlichkeit mitzunehmen. Das gelingt ihr nicht immer: Der Grat zur oberflächlichen Adelsromanze wird doch öfter mal überschritten.
Aber man muss den Mut loben, der souveränen Statik von Viscontis Bildern, die heute mitunter langatmig wirken, einen spürbar moderneren Blick auf die Geschichte entgegenzusetzen. Mehr Tempo und mehr Schärfe in den Figuren. Vor allem bekommen die Frauenrollen deutlich mehr Profil.

Der Fürst ist das Epizentrum der Serie
Und dann ist da ja immer noch der Leopard, der Fürst als das Epizentrum der Serie: eine schillernde Figur, tief verwurzelt in sizilianischer Erde. Kim Rossi Stuart spielt ihn als kultiviertes Rauhbein, einer der die schönen Dinge liebt und die Macht verkörpert. Der mit der Zeit geht und doch erkennen muss, dass er sie nur noch zum Teil gestalten kann.
Auch das schafft die Serie zwar nicht ganz überzeugend auszuformulieren, aber sie ermöglicht einen frischen Blick auf den Roman, auf die darunter liegende ziemlich universelle Geschichte von Tradition und Werten und ihrem schmerzlichen oder auch notwendigen Wandel.
Trailer „Der Leopard“, ab 5.3. auf Netflix
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