Inger-Maria Mahlke erzählt in „Unsereins“ die Welt, in der die „Buddenbrooks“ leben aus der Perspektive derer, die nicht die Buddenbrooks sind.
Ich erinnere mich noch an ein paar sehr schöne Tage, als ich die Buddenbrooks las.
Es war eskapistische Lektüre, es ging um den Abstieg einer reichen Familie in einer fernen Zeit in Norddeutschland – Thomas Mann mit seinem Bessere Leute-Setting hat eine Familiengeschichte geschrieben, aus der ich mitnahm, dass es auch reiche Menschen nicht leicht haben.
Heute könnte das nicht mal Martin Mosebach noch so sozial blind erzählen. Und jetzt kam im vergangenen Jahr Inger-Maria Mahlke, „Unsereins“ – schon vom Titel ist das zugewandter.
Mahlke erzählt die Welt, in der die Buddenbrooks leben aus der Perspektive derer, die nicht die Buddenbrooks sind, aus der Sicht des Ratsdieners, der einmal im Monat zur Prostituierten geht, des Dienstmädchens, das langsam begreift wie sozial abgehängt sie ist und aus der Sicht der Lindhorsts, in vielem ganz ähnlich zu den Buddenbrooks, aber jüdisch.
Sie halten sich für assimiliert, bis ein Schlüsselroman, eben die Buddenbrooks ihnen vor Augen hält, dass sie nie dazugehört haben. „Unsereins“ kann man auch dann gut lesen, wenn man von den Buddenbrooks nur noch den fernen Schatten der jugendlichen Lektüre oder der Filme vor Augen hat.
Inger-Maria Mahlke – Unsereins
Thomas Mann könnte heute aus dem Roman von Mahlke mitnehmen, dass die Verfallsgeschichte der Buddenbrooks in Wirklichkeit auch der zaghafte (und dann vom Faschismus brutal unterbrochene) Beginn des bürgerlich-liberalen Zeitalters war.
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