Eine Ausstellung im Museum im Prediger in Schwäbisch Gmünd zeigt, wie sich Selbstbilder und Wahrnehmung von LSBTI* in Kunst und Geschichte im Laufe der Jahrhunderte verändert haben.
Der Kultsong „Wish You Were Here” von Pink Floyd von 1975 wird oft als Reflexion über Entfremdung, Identität und Sehnsucht gelesen. Außerdem assoziieren Viele beim Gedanken an die Band auch direkt den Regenbogen, der auf dem Cover des Erfolgsalbums „The Dark Side of the Moon" auftaucht. Ein Lichtstrahl durchdringt ein Prisma und kommt sozusagen rechts als Regenbogen wieder heraus.
Ausstellung nimmt Queerness in den Blick
Für die queere Community ist der Regenbogen ein Symbol für Diversität hinsichtlich sexueller Orientierung, Vielfalt und Akzeptanz. Und so schließt sich der Kreis mit Blick auf den Titel der Ausstellung in Schwäbisch Gmünd: „Wish You Were Queer. Un-Sichtbarkeit von LSBTI* in Kunst und Geschichte“.
Die umfangreiche Ausstellung will Selbstbild und den Selbstbewusstseinswandel von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen durch die Jahrhunderte in den Blick nehmen.

Rinaldo Hopf arbeitet mit ikonischen Bildern
Eine Arbeit des Malers Rinaldo Hopf greift die Geschichte gezielt auf: Auf kleinen Schwarz-Weiß-Bildern sind prominente queere Menschen aus allen Epochen von der Antike bis hin zu Andy Warhol zu sehen. Die Anordnung wirkt wie ein Fahndungsfoto nach RAF-Terroristen. Es sind Menschen, die im Laufe der Geschichte oft mindestens mit Skepsis, wenn nicht mit offener Verachtung, betrachtet wurden.
Marla Glen als Gesicht der Ausstellung
Auf diesen Hintergrund hat der Maler Rinaldo Hopf Porträts in schillernden Goldtönen aufgedruckt. Eine ältere Darstellung des selbstbewusst schauenden Soulsängers Marla Glen zum Beispiel. 2023 hatte er sein Coming-out als trans Mann. Glen wurde auf den Plakaten zum Gesicht der Ausstellung.
Das Bild sei sehr kraftvoll, erklärt der Kurator der Ausstellung, Martin Weinzettl. „Dieses Selbstbewusstsein, dieses starke Wesen, ist hier so derartig gut plakativ dargestellt, dass wir das auch ausgewählt haben als Leitbild.“

Queere Liebe kann prickelnder Genuss sein. Das vermittelt die Ausstellung zum Beispiel mit den dynamisch-poppigen Mannsbildern des Malers Norbert Bisky. Zur der Lebenswelt gehören aber auch Krankheit und Tod: Eine Fotoserie zeigt den Verfall des an AIDS erkrankten Jürgen Baldiga.

Zuerst noch als aktiver Künstler erkennbar, sieht man ihn mit blutunterlaufenen, fast leblosen Augen. So eine Fotoserie würde sich wohl keiner ins Wohnzimmer hängen, meint Kurator Weinzettl. Aber sie hat einen dokumentarischen und künstlerischen Wert. Darum habe man sie für die Ausstellung ausgewählt.

Queere Codes und explizite Szenen
Die Kraft der Ausstellung ist das Spiel mit den Gegensätzen: Lebensfreude trifft sozusagen auf Lebensende. Queere Codes, versteckte Hinweise, stehen explizit sexuellen Szenen gegenüber.
Etwa die Linolschnitte des Lorcher Künstlers Daniel von Alkier. Sie zeigen Männer in erregten Posen – die liniendurchzogenen Körper mit großen Penissen erinnern ein bisschen an 3D-Darstellungen aus Gitternetzen.

Das Spiel mit den Gegensätzen setzt sich also fort: Die Schau zeigt Kunstwerke vom Mittelalter bis heute und zeigt dabei den sich stark wandelnden Grad der Sichtbarkeit queeren Lebens im Bild. Dabei konzentriert sich die Ausstellung nicht nur auf die Fernperspektive, erklärt der Kurator, auch die Entwicklungen in der Region Schwäbisch Gmünd spielen eine Rolle.
Denn Arbeiten wie die von Daniel von Alkier zeigen: Lokale Emanzipation ist ohne weltweite Vorbilder und deren zunehmende Sichtbarkeit nicht denkbar. Zu den Arbeiten des Lorcher Künstlers meint Kurator Weinzettl, dass er sich schon vorstellen könne, dass hier die eine oder der andere Besucher die Nase rümpfen. Aber man wolle alle Seiten der queeren Kultur zeigen. Zur Not mit einem Warnhinweis:
Hier wird es explizit! Wer es sehen will, schaut hier um die Ecke, wer nicht, der lässt es. Aber es ist künstlerisch wirklich beeindruckend.
Lesbische Fantasien werden kaum thematisiert
Es geht im Kern um die Sichtbarkeit und auch die Unsichtbarkeit queeren Lebens: Noch immer sind zum Beispiel lesbische Biografien und Fantasien viel weniger sichtbar, meinen die Ausstellungsmacher*innen. Künstlerinnen wie Hannah Römer wollen diese Lücke schließen. Sie hat die Begierde zweier Frauen im Stil und der Lichtstimmung der Alten Meister dargestellt.

Das Motiv der Sirene wird sozusagen queer übersetzt, erklärt der Kurator. In vergangenen Zeiten konnte das Gesehenwerden tödlich enden: Im 16. Jahrhundert lebte Eva Barbierer als Mann, aus Eva wurde Adam. Das missfiel den Machthabenden der Zeit.
Sichtbarkeit als Gefahr

1565 wurde Adam Barbierer in Nördlingen hingerichtet, erzählt der Gmünder Stadtarchivar Niklas Konzen. Barbierers letzter Wunsch war, in Männerkleidung zu sterben. Der Nördlinger Rat war „gnädig“, wie auf einem zeitgenössischen Stich zu sehen ist. Außerdem, so erklärt der Historiker, sei Barbierer enthauptet worden. Das sei ungewöhnlich, so der Historiker.
Enthaupten war eigentlich eine geschlechtlich konnotierte Hinrichtungsart, die nur sonst Männern vorbehalten war. Frauen wurden ertränkt.
Neben der Kunst zeigt die umfangreiche und originelle Ausstellung „Wish You Were Queer" auch viele Dokumente zur Diffamierung und Emanzipation der queeren Community in Gmünd.

Bürgermeister Unterstützer der queeren Community
Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in Schwäbisch Gmünd eine Ausstellung zu Queerness in der Kunst eröffnet. Oberbürgermeister Richard Arnold gehört selbst zur queeren Community – und er hat angestoßen, schwulem und lesbischem Leben in seiner Stadt offener zu begegnen.

Es wurde eine Geschichtswerkstatt gegründet, die queeres Leben der Vergangenheit sichtbar machen will. Aus der Zusammenarbeit vieler Akteure, dem Museum im Prediger, der Werkstatt, dem Stadtarchiv und der Volkshochschule ist so die Ausstellung entstanden.
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