Insassen, Angestellte und Ehrenamtliche haben in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn zusammen angepackt und in rund einem halben Jahr eines der größten, frei käuflichen Puzzles der Welt zusammengepuzzelt. 54.000 Einzelteile hat es. Über achteinhalb Meter lang und über zwei Meter hoch ist es. Das Ergebnis ziert jetzt die Wand im Flur der Wohngemeinschaft.
Aber das Projekt soll weit mehr als nur Dekoration sein: Geklappt hat die Umsetzung nur dank Teamwork und dem Fokus auf ein gemeinsames Ziel. Gemeinsame Gespräche während der stundenlangen Puzzle-Sessions sollten vom Haftalltag ablenken und Insassen zusammenbringen, die vorher vielleicht gar nichts miteinander zu tun hatten.
Ein mitgebrachtes Puzzle gab bei den Häftlingen den Anstoß
Los ging das Ganze vor rund einem Jahr, als die Gefängnispsychologin den Gefangenen einfach mal ein Puzzle mitbrachte, das sie noch zu Hause übrig hatte. Damit wurde plötzlich der Ehrgeiz geweckt, die Puzzles wurden immer größer, bis zum jetzt vorläufigen Höhepunkt. "Travel around Art!" nennt sich das Puzzle und kostet in Online-Shops knapp 500 Euro. Das Geld dafür kam von der Wirtschaftsleitung der JVA, die ein kleines Budget für solche Projekte hat.
Die Zusammenarbeit an dem mega Werk habe nur wegen klarer Absprachen und Regeln funktioniert. Solche Regeln fallen nicht jedem Insassen leicht, sind aber wichtig für die Resozialisierung, betont Stefanie Hörter, stellvertretende Gefängnisleitung der JVA Heilbronn.
Vorbereitung auf die Zeit nach dem Gefängnis
Am Ende klappe die Resozialisierung nur, wenn der Gefangene wirklich mitmacht. Ein gemeinsames Ziel vor Augen könne dabei helfen.
Und auch die Gesellschaft hat die Aufgabe, den Gefangenen wieder aufzunehmen. Wie so ein Puzzleteil in dem gesamten Bild.
Die meisten der beteiligten Gefangenen leben in einer Wohngruppe in der JVA. Von einem Flur gehen die einzelnen Zellen ab, die mit je zwei Männern belegt sind. Der Flur insgesamt ist zwar abgeschlossen, die Zellen sind es aber nicht. Die Gefangenen können sich so relativ frei bewegen. Es gibt eine Küche und einen Freizeitraum mit Fernseher und großem Tisch zum Puzzeln.

Tagsüber wird in den Werkstätten gearbeitet, die Freizeit können die Insassen selbst gestalten. Und auch hier gilt: Das gemeinsame Projekt brachte etwas Struktur in den Alltag. Ebenfalls eine Hilfe für das spätere Leben in Freiheit, so Hörter.
An Regeln halten - und mal zurückstecken
Beim Puzzlen hieß es auch mal, die eigenen Interessen zurückzustecken. Das erzählt einer der Insassen, der Thomas genannt werden möchte. Beispielsweise wollten besonders viele der Häftlinge den Abschnitt mit der Mona Lisa umsetzen. Das klappte dann nur mit Arbeitsteilung: Manche haben den Rahmen gebaut, andere das Bildinnere.

Am Anfang waren viele noch extrem motiviert. Doch dann habe sich schnell die Spreu vom Weizen getrennt, erzählt Thomas. Die meisten hätten dann nur noch hin und wieder mitgemacht. Einige saßen aber auch regelmäßig drei bis vier Stunden am Stück an dem Puzzle. Bei ihm selbst war schnell der Wille geweckt, das Projekt auch wirklich fertigzumachen. Und nicht nur auf kleinen Bildchen zu sehen, wie das Ergebnis aussehen könnte.
Jetzt, nachdem das Puzzle fertig ist, sei die Gruppendynamik eine andere als noch zu Beginn, beschreibt Thomas das Zusammenleben. Man sei eine "kleine Einheit" geworden und würde nun mehr Zeit miteinander verbringen.
Und was zeigt das Riesen-Puzzle eigentlich?
Zu sehen ist auf dem Puzzle ein lange Wand, an der dutzende berühmte Gemälde hängen. Beispielsweise die Mona Lisa ist dabei, das Mädchen mit dem Perlenohrring oder der Turmbau zu Babel. Die Gefängnisdruckerei hat extra noch eine Tafel angefertigt, auf der die Namen der Bilder und deren Künstler angegeben sind.

Wie es jetzt weitergeht? Das ist noch unklar. Zwar gibt es wohl ein noch größeres Puzzle mit 60.000 Teilen zu kaufen. Das würde in der Wohngruppe aber schon gar nicht mehr an die Wand passen. Und wie Thomas es einschätzt, sind die meisten auch einfach gerade etwas "überpuzzelt". An einer neuen "Challenge" seien er und seine Mitinsassen aber immer interessiert.