Ärzte können in der elektronischen Patientenakte Diagnosen anderer Fachärzte einsehen, die Jahre zurückliegen – und die Patienten wundern sich. Woher kommen die Daten und wie lässt sich die Sichtbarkeit steuern? Das erklärt uns Lucas Auer. Er ist zuständig für Digitalisierung im Gesundheitswesen beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
Krankenkassen befüllen die elektronische Patientenakte mit Daten
SWR1: War es so gedacht, dass die Krankenkassen Diagnosen der vergangenen zehn Jahre in die ePA einspeichern?
Lucas Auer: Es gibt verschiedene Teilbereiche in der elektronischen Patientenakte. Dazu gehört auch der Bereich, der hauptsächlich für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Arztpraxen gedacht ist und auch für die PatientInnen, um dort Einblick in die aktuellen vorliegenden Befunde zu erhalten. Dieser Bereich startet tatsächlich leer.
Es ist aber so, dass es auch andere Teilbereiche in der ePA gibt und die Krankenkassen dort auch die Abrechnungsdaten einspielen. Das heißt, die Daten, die die Arztpraxis nutzt, um die erbrachten medizinischen Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen. Dem ganzen kann man widersprechen. Wenn man das aber nicht tut, dann ist es so, dass mitunter auch Daten aus der Vergangenheit durchaus in der ePA einsehbar sind, obwohl sie zunächst einmal als vermeintlich leere Akte startet.
Erhöhte Transparenz für Ärzte und Patienten
SWR1: Warum dürfen die Kassen diese Abrechnungsdaten, die vor allem so lange zurückliegen, in die ePA hereinschreiben?
Auer: Es erhöht natürlich schon die Transparenz, wenn es denn gewünscht ist. Auch für Patientinnen, die ein Interesse haben, kann es ein niedrigschwelliger Weg sein, um Einblicke zu erhalten, was denn von einer Arztpraxis gegenüber der Krankenkasse eigentlich abgerechnet wird.
Sichtbarkeit der Daten per ePA-App steuern
SWR1: Was können Patienten tun, um die Kontrolle zu erlangen oder auch den Zugriff einzelner Ärzte einzuschränken?
Auer: Mit dem Smartphone ist das Ganze am einfachsten. Darauf ist das System ausgelegt. Ich habe aber auch die Möglichkeit, eine Person meines Vertrauens als Vertretung zu bestimmen. Das heißt, diese Person kann dann meine elektronische Patientenakte auf dem Smartphone verwalten, wenn ich das möchte.
Es ist aber auch möglich, dass ich mich beispielsweise an die Ombudsstelle bei meiner Krankenkasse wenden kann und dort bestimmte Einstellungsmöglichkeiten habe.
SWR1: Können Patienten mit dem Smartphone Daten in der ePA selbst löschen, vor allem auch Diagnosedaten?
Auer: Das ist möglich. Das ist auch total wichtig, dass das möglich ist, aus unserer Sicht als Verbraucherzentrale.
Patienten können Daten steuern
SWR1: Die Folge wäre dann natürlich, dass ein Arzt in Zukunft ein unvollständiges Bild hat ...
Auer: Das ist die Kehrseite der Medaille. Es ist so, dass ich als Patient auch Daten selber ergänzen kann. Das wäre dann die Option, dass ich, wenn ich in der Zukunft diese Daten doch wieder in der ePA möchte, ich mich selbst darum kümmern müsste, dass sie dort wieder reinkommen.
Entweder sind die Befunde für alle meine ÄrztInnen sichtbar, oder sie sind nur für mich selbst sichtbar.
Keine getrennten Einstellungen für Fachärzte
SWR1: Kann ich unterbinden, dass ein Zahnarzt beispielsweise die Daten vom Frauenarzt sehen kann?
Auer: Das ist leider nicht ohne weiteres möglich. Das heißt, ich kann einzelne Befunde nicht mehr für einzelne Ärzte gezielt sichtbar stellen, sondern da gilt ganz oder gar nicht. Entweder sind die Befunde für alle meine ÄrztInnen sichtbar, oder sie sind nur für mich selbst sichtbar.
SWR1: Mehr Möglichkeiten bei der Zutrittssteuerung wären wünschenswert.
Auer: Es wäre absolut wünschenswert, dass es wieder möglich ist, dass ich Informationen aus meiner Psychotherapie-Behandlung beispielsweise mit meiner Hausarztpraxis teile. Aber eben nicht mit meiner Zahnarztpraxis.